Unternehmensberichte

Wie sieht die Kooperation zwischen Unternehmen und Bildungseinrichtungen in der Praxis aus? Welche Vorteile bietet das Duale Studium Hessen für Unternehmen?

Auf den folgenden Seiten berichten Unternehmensvertreterinnen und Unternehmensvertreter aus dem Dualen Studium Hessen.

Interview mit Markus Michels, Geschäftsführer focus Industrieautomation, Merenberg

Markus Michels

Focus Industrieautomation (www.focus-ia.de) ist ein international tätiges Unternehmen der Software-Branche mit den Schwerpunkten IT und Automatisierungstechnik. Das Unternehmen bietet branchenübergreifende Lösungen für die Prozess- und Fertigungsindustrie.

Der Betrieb mit 30 Mitarbeitenden bildet Fachinformatikerinnen und -informatiker für Anwendungsentwicklung aus. Seit 2009 beteiligt sich die Firma am dualen Studienmodell StudiumPlus der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) in den Studiengängen Technische Informatik, Elektrotechnik und seit 2017 auch in dem neuen Studiengang Softwaretechnologie. Aktuell sind zwei dual Studierende beschäftigt.

Gibt es aufgrund Ihrer Erfahrungen spezielle Anforderungen und Voraussetzungen, die ein Unternehmen für eine Beteiligung am dualen Studium erfüllen sollte?

Michels: Grundsätzlich ist von Vorteil, wenn man schon Ausbildungsbetrieb ist und hier auf Erfahrungen zurückgreifen kann. Man muss sich im Betrieb ja adäquat um die Studierenden kümmern können. Die Praxisphasen müssen gut betreut und begleitet werden, man muss die Themen für die Praxisarbeiten definieren, die inhaltlich zum Unternehmen passen, aber auch ein akademisch angemessenes Niveau haben sollen. Hier ist gute Betreuung notwendig und da war für uns hilfreich, dass wir aus der dualen Ausbildung schon Erfahrungen hatten.

Nach welchen Kriterien haben Sie Ihren Bildungspartner für duale Studiengänge ausgesucht?

Bei der THM ist neben dem passenden Studienangebot natürlich auch die regionale Nähe entscheidend. Unsere dualen Studenten studieren am Standort Wetzlar, das ist für uns ideal, ebenso wie der neu hinzugekommene Studienstandort Limburg. Es finden im Rahmen des dualen Studiums ja auch immer wieder Termine an der Hochschule statt, an denen wir teilnehmen, das ist aufgrund der räumlichen Nähe auch gut für mich machbar, weil ich nur eine halbe Stunde Anfahrtsweg habe.

Da kann man meines Erachtens auch keine allgemeingültige Empfehlung für nur einen einzigen Bildungsanbieter abgeben, letztendlich müssen die Fachrichtungen und Inhalte zum Unternehmen passen, vor allem auch vor dem Hintergrund, dass man die Absolventinnen und Absolventen nach dem Studium ja auch übernehmen will.

Welche Anforderungen hat die THM an Ihr Unternehmen gestellt? Waren besondere Vorbereitungen wichtig?

Michels: Vor allem müssen die fachlichen Kompetenzen im Unternehmen vorhanden sein. Also, wenn ich beispielsweise Elektrotechnik anbiete, dann brauche ich auch Leute im Unternehmen, die das beherrschen und vermitteln können. Sinnvoll ist sicher auch, dass die oder der Praxisbetreuende im Unternehmen über einen gleichwertigen Abschluss verfügt, denn spätestens in der ersten Praxisphase muss ja die Leistung der Studierenden bewertet werden. Und das geht nur, wenn man fachlich Ahnung vom Thema hat und in der gleichen Liga spielt.

Wie lange war die Vorlaufzeit, bis die Kooperation mit der Hochschule zustande kam?

Michels: Die Abstimmung mit der THM ging damals relativ schnell, ich denke, das war ein Zeitraum von ungefähr drei Monaten. Allerdings war der Entscheidungsprozess, also die generelle Frage, ob wir uns am dualen Studium beteiligen oder nicht, deutlich länger. Nach der grundlegenden Entscheidung ging es dann recht schnell. Wir hatten uns damals überlegt, dass wir das duale Studium gerne anbieten möchten, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu rekrutieren.

Haben Sie Tipps für Unternehmen, die noch in der Entscheidungsfindung sind?

Michels: Bei der Entscheidung, sich am dualen Studium zu beteiligen, muss man sich als Unternehmen die Frage stellen: Was will ich damit erreichen, was ist mein mittelfristiges Ziel? Wenn ich dual Studierende einstelle, dann kostet mich die Person ja erst einmal Geld und steht mir nur eingeschränkt zur Verfügung. Zwar kann sie oder er in der Praxisphase durchaus einen Beitrag für das Unternehmen leisten, aber der Mehrwert und Nutzen für das Unternehmen stellt sich ja erst mittelfristig ein, wenn die Nachwuchskraft tatsächlich im Unternehmen verbleibt.

Ganz praktisch würde ich empfehlen, sich mit der Hochschule oder Berufsakademie auseinanderzusetzen, einen Termin zu machen und sich umfassend zu informieren. Das Angebot sollte man als Unternehmen nutzen. Die THM bietet beispielsweise auch Netzwerkveranstaltungen, wo Austauschmöglichkeiten mit anderen Unternehmen bestehen. Für mich ist dabei interessant, dass ich auf Unternehmen aus ganz anderen Branchen treffe, zu denen ich sonst gar keinen Kontakt hätte. So kann man in lockerer Runde ganz zwanglos das ein oder andere Thema besprechen und Fragen klären. Das finde ich immer recht interessant. Und gerade wenn man als Unternehmen neu in das duale Studium einsteigen möchte, kann ich das nur empfehlen.

Wie läuft die Bewerbersuche? Unterstützt Sie die Hochschule bei der Suche nach geeigneten Bewerbern?

Michels: Die THM hat ein Portal für Stellenausschreibungen, dort können wir uns als Unternehmen mit unseren Angeboten eintragen lassen. Die offenen Stellen werden einmal jährlich im Vorfeld von der THM abgefragt. Wir sind aber auch sehr viel auf Bildungsmessen unterwegs und beteiligen uns an Schulveranstaltungen zur Berufsorientierung, um unsere Ausbildungsstellen und dualen Studiengänge zu bewerben.

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit der Hochschule?

Michels: Die Abstimmung mit der THM funktioniert sehr gut, auch mit den Ansprechpersonen haben wir positiven Austausch, man trifft sich auch immer wieder mal auf den Bildungsmessen. Aber auch der Austausch mit den Lehrenden während der Praxisphasen funktioniert sehr gut.

Das heißt, die betreuenden Professorinnen und Professoren kommen während der Praxisphase zu Ihnen ins Unternehmen?

Michels: Ja, mindestens einmal pro Praxisphase. Das ist auch notwendig, denn wenn es später um die Bewertung der Leistung in den Praxisphasen geht, dann ist es sehr hilfreich, wenn sich Praxisbetreuende und betreuende Lehrende schon einmal getroffen und ausgetauscht haben.

In welchem Umfang können die akademischen Inhalte in den Praxisphasen umgesetzt werden?

Michels: Für den Bereich Elektrotechnik würde ich sagen, etwa 70 Prozent können umgesetzt werden, aber auch erst in den höheren Semestern. In den ersten beiden Semestern ist es immer ein bisschen schwierig, denn da erfolgt vor allem Grundlagenvermittlung. Wir als Software-Unternehmen haben da nicht so die Transfermöglichkeit, und die Programmierthemen kommen erst in den höheren Semestern, vor allem auch in den Wahlpflichtfächern. Da kommen wir dann auf etwa 70 Prozent Theorie-Praxis-Transfer.

Bestimmen Sie die Inhalte der Praxisphasen selbst oder gibt es Vorgaben von der Hochschule?

Michels: Die Inhalte werden von uns in Abstimmung mit der Hochschule festgelegt. Es gibt ein Modulblatt für die Praxisphase, dort tragen wir das Thema ein und melden es an die Hochschule zurück. Nach Ende der Praxisphase präsentieren die Studierenden ihre Ergebnisse an der Hochschule. Bei diesen Terminen sind die Praxisbetreuenden dabei, so haben wir auch einen ganz guten Vergleich mit anderen Arbeiten.

Wir haben schon den Anspruch, dass unsere Praxisthemen vom Niveau her angemessen und relevant für das Unternehmen sind. Da stellen wir aber durchaus Unterschiede im Vergleich mit anderen Unternehmen fest. Unsere Themen sind meist aus der Programmierung, wobei der Anspruch mit dem Studienverlauf steigt. Wir versuchen auch, dass wir das Projekt später wiederverwerten können, was aber nicht immer klappt.

Nach welchen Kriterien werden die Leistungen der Praxisphase benotet?

Michels: Es gab eine Vorgabe von der Hochschule. Aber wir haben hier zusätzlich intern ein eigenes Bewertungsschema, einen Kriterienkatalog mit mehreren Punkten, die wir zur Bewertung anlegen. Also etwa, wie engagiert ein Studierender ist, oder Softskills wie Zuverlässigkeit, aber auch fachlich-technische Aspekte.

Sie verwenden also ein standardisiertes Bewertungsschema?

Michels: Ja, genau. Das haben wir für uns ausgearbeitet und benutzen es auch in etwas abgespeckter Form für die Beurteilung von Praktikanten, die auch immer ein qualifiziertes Zeugnis bekommen. Das Schema hilft uns auch bei der Abstimmung mit der Hochschule, da muss man ja begründen können, wie die Beurteilung zustande gekommen ist.

Sind nach Ihrer Meinung die Leistungen der Praxisphasen in der Studienleistung ausreichend berücksichtigt?

Michels: Ich finde die geltenden Regelungen in Ordnung. Ein duales Studium ist immer noch ein vollwertiges Hochschulstudium, bei dem der Schwerpunkt auf der Vermittlung von wissenschaftlichen Kenntnissen und Herangehensweisen liegt. Das ist der Werkzeugkasten, den ich nachher im Berufsleben brauche. Im Studium bekommt man sicherlich mehr Inhalte vermittelt, als man später verwenden kann. Im dualen Studium ist das noch etwas stärker auf die Berufsbefähigung zugeschnitten als im Regelstudium. Aber von dem, was ich beispielsweise während meines Studiums gelernt habe, brauche ich heute nur einen kleinen Teil. Aber letztendlich geht es um die Herangehensweise, die man im Studium lernt. Von daher finde ich schon, dass das die Gewichtung in Ordnung ist.

Was würden Sie einem Unternehmer mit auf den Weg geben, der sich überlegt, das duale Studium anzubieten?

Michels: Ich finde es interessant, dass es immer noch Betriebe gibt, die noch gar nicht darüber nachgedacht haben, gerade im Hinblick auf den immer größer werdenden Mangel an Fachkräften. Klar, der Wettbewerb wird größer, wenn sich immer mehr Unternehmen am dualen Studium beteiligen und Stellen ausschreiben. Aber junge Menschen mit Schulabschluss fordern das ein, die wollen das machen, also muss ich mich als Unternehmen darauf einstellen. Wenn ich übermorgen nicht ohne Personal da stehen will, dann muss ich da was tun. Der Fachkräftebedarf erfordert neue Wege, und da kommt man am dualen Studium einfach nicht vorbei.